Guillaume Guizot, der Sohn des bekannten französischen Staatsmanns und Historikers François Guizot (1787-1874) ist der Verfasser des nachfolgenden Artikels der im „Journal des débats politiques et littéraires“ (Zeitschrift für politische und literarische Debatten) am 11. April 1856, also wenige Tage nach der Bestattung Monods, veröffentlicht wurde. Guizot beachtet natürlich die Maxime de mortuis nihil nisi bene, aber sein Artikel ist interessant, weil er den Eindruck, den Monods Tod auf die feine protestantische Gesellschaft von Paris machte, widerspiegelt und weil Guizot uns allerhand über die rednerischen Fähigkeiten von Monod erzählt, die der Leser seiner Predigten leider nur erahnen kann.
Ein sehr interessanter Artikel (in französischer Sprache) über Guillaume Guizot findet sich auf der großartigen Website über François Guizot (hier).
*** Übersetzung aus dem Französischen ***
Adolphe Monod
Das Journal des Débats hat vor drei Tagen den Tod von Herrn Adolphe Monod bekanntgegeben. Seine Beerdigung hat Dienstag um 1 Uhr stattgefunden. Die Menschenmenge war groß, der Verlust ist riesig. Alle Protestanten, auch außerhalb Frankreichs, wissen, was Herr Adolphe Monod für die protestantischen Kirchen Frankreichs, und sogar außerhalb der protestantischen Kirchen, bedeutete. All jene, die seine Stimme gehört haben oder seine Schriften gelesen haben, all jene deren Geist sich hoch genug erhebt, die ein ausreichendes Maß des Geistes des Evangeliums haben, um das christliche Leben und die christliche Beredsamkeit als solche zu erkennen, in welcher Gemeinschaft auch immer sie sich finden mögen, werden großes Bedauern empfinden. Alle sind sich einig darüber, daß der herausragende Mann, den wir gerade verloren haben, einer der größten christlichen Redner seiner Zeit war. Gott vertraut seine Kraft oft bescheidenen Instrumenten an, die durch ihn und für ihn echte Wunder vollbringen. Jeder ihrer Siege ehrt ihren Herrn umso mehr, als sie zuerst in seinem Namen ihre eigene Unzulänglichkeit besiegt haben. Aber oft auch, um sein Gesetz und seine Kirche vor den Augen der Welt zu ehren, gefällt es Gott, einen Menschen an sich zu ziehen, der auch aus eigenem überall Aufsehens gemacht hätte, der auch dann menschlichen Ruhm erlangt hätte, wenn er nicht einer der Auserwählten der göttlichen Wahrheit gewesen wäre, und der der Religion der Einfachen und der Schwachen dieses Zeugnis ablegt, daß sie auch den größten Intelligenzen und Herzen genügt. Die hochmütige und egoistische Menschheit, die ihre Aufstände von denen bezwungen sieht, die sie verachten wollte, und von denen verlassen, in denen sie sich verherrlichen wollte, die von dieser doppelten Absage an ihre Selbstverherrlichung zur Verzweiflung getrieben wird, die in dem Gott, der die kleinen Kinder zu sich rief und sich über ihre unbefangenen Köpfe beugte, denselben Gott bewundert, der, als er noch Kind war, erhobenen Hauptes mit den betroffenen Schriftgelehrten sprach, sie sieht sich dann gezwungen, als ihren König den anzuerkennen, der sie da beherrscht, wo sie sich stark glaubt, ebenso wie er sie stützt, wo sie sich schwach fühlt. Der christliche Glauben, die christliche Beredsamkeit, die christliche Demut von Herrn Adolphe Monod, und ganz besonders diese Demut, die sein so seltenes und besonderes Talent seinen eigenen Augen unsichtbar und den anderen umso sichtbarer machte, haben aus ihm eines jener eindrucksvollen Beispiele, eine jener lebendigen Lektionen gemacht, die jeden erniedrigt, der auf das Evangelium herabschaut. Es war einer der herausragenden Züge von Herrn Adolphe Monod, daß er ein origineller Denker und Redner war, und dessen ungeachtet mit großer Beständigkeit, mit peinlicher Sorgfalt, ja ich würde sogar sagen mit leidenschaftlichem Gehorsam, ein Jünger des Evangeliums. Niemand hat sich stärker an diesen „Fels des Heils“, von dem der englische Dichter spricht, gebunden. Niemand hat mehr neue Quellen aus diesem hervorspringen lassen. Er war ein ergebener Christ, der die Arbeit, die ihm aufgetragen war, unter Zuhilfenahme der Reichtümer einer sehr unabhängigen und einfallsreichen Natur ausführte. Er selbst hat, ohne daran zu denken, diesen seine Verdienst indirekt erklärt, als er versuchte, in Hinblick auf Paulus verständlich zu machen, wie Gott den Menschen in denen, die er zu seinen Sprechern macht und denen er sein Siegel aufdrückt, fortbestehen läßt: „Der Geist Gottes, sagt er, vereint sich mit dem Geist des Menschen in der Inspiration, so ungefähr wie sich die göttliche Natur mit der menschlichen Natur in der Fleischwerdung vereint. Ebensowenig wie der Sohn Gottes, der in Jesus Christus gegenwärtig ist, die schmerzhafte Teilnahme des Menschensohns am Hervorbringen des Heils verhindert, ebensowenig verhindert das Wort Gottes, das in jedem menschlichen Wort des Apostels mitschwingt, die mühsame Teilnahme des menschlichen Wortes an der Verkündigung des Heils. Gott und Mensch im ersten Fall, Geist Gottes und menschlicher Geist im zweiten, schwächen sich nicht gegenseitig ab, sondern bleiben intakt nebeneinander. Deshalb, findet sich jedes Wort, das man zufällig auf der erstbesten Seite unseres Apostels nehmen kann, obwohl es sich in den himmlischen Regionen des Geistes Gottes befindet, nichtsdestoweniger auf dem innersten Grund des menschlichen Geistes, in dem, was die Erfahrung lehrt, in der Bitternis der Erprobung, in der Ausbildung und Entwicklung des neuen Menschen, während all der Lehrjahre des spirituellen Lebens.“ Was Herr Monod da in Hinblick auf die Inspiration de Paulus sagt, trifft auch auf seine eigene Beredsamkeit zu. Ich überlasse es anderen, zu erzählen, durch welche Folge von Anstrengungen, durch welche glühende Suche der Wahrheit, durch welche inneren Kämpfe sich diese strenge und zarte Seele sich stärkte und milderte, um das heilige Amt auszuüben. Aber wer auch immer ein paar Predigten von Herrn Adolphe Monod gehört hat, kann Folgendes bezeugen: je bekannter der Bibeltext war und je wörtlicher die Gedanken aus dem Text genommen waren, umso überraschter war man von der unerwarteten Lebendigkeit mit der die Person des Redners als solche die Rede erfüllte. En sehr klarer Plan, ein sehr breiter Ausblick, ein scharfsichtiger Blick, der die Winkel und Listen des Herzens verstand, tausend poetische oder sprichwörtliche Ausdrücke der Heiligen Schrift, die fast wie unfreiwillig aus seiner Erinnerung sprudelten und die Autorität seines Wortes verdoppelten, eine vollendete Kunst, aus der Geschichte des alten Bundes oder der Christenheit Beispiele auszuwählen, um seine Ideen zu illustrieren, ein tiefes Verständnis der besonderen Ängste und Schwächen dieser Zeit, die Kühnheit, immer genau auf den Punkt zu gehen, wo ihm die Vernunft in den größten Schwierigkeiten schien, viel Feinheit und Vorstellungskraft in der Sprache, manchmal ein wenig ernste und schmerzhafte Ironie in Bezug auf die menschliche Torheit, und über allem, das zwingende Bedürfnis, zu überzeugen, Seelen zu gewinnen, die beständige Angst, nie genug getan zu haben um den Sünder der falschen Sicherheit, die ihn zugrunde richtet, zu entreißen und ihn zum Glauben, der ihn retten wird, zu führen, die mitfühlende Beharrlichkeit des Christen, der glaubt, daß sein eigenes Heil mit dem seiner Brüder gefährdet ist, wenn er nicht sein Äußerstes an und für sie gibt, und schließlich, am Ende jeder Predigt, nachdem das Thema behandelt worden war, die bewegten Aufrufe von drei oder vier aufeinanderfolgenden Schlüssen, immer dringender und schöner, das all ist es, was Herrn Adolphe Monod zu seinem herausragenden Rang innerhalb der protestantischen Kirche verholfen hat. Alle seine Reden, die gedruckt wurden, überstehen diese Probe und werden auch die Probe der Zeit überstehen. Aber sein durchdringender Tonfall, sein ernstes, müdes Gesicht, von einem geheimen Feuer erhellt, seine Stimme, schwingend und ehrlich, seine maßvollen Gebärden, jener Teil der Beredsamkeit, den man Aktion nennt und der bei ihm vielleicht mehr als bei jedem anderen diesen Namen verdiente, so sehr war er bemüht, durch sein Wort zu handeln und in allen Herzen das Evangelium zu verwirklichen ! Die Stärke seiner Gedanken und seines Stils war noch verstärkt durch diese Kräfte – um die Gewalt seiner Predigt recht zu kennen, muß man zugegen gewesen sein. Einer seiner regelmäßigen Zuhörer erzählte mir, nachdem er von seinem Tod gehört hatte, daß er nach einer langen Abwesenheit, nach anderthalb Jahren im Ausland, am Tag nach seiner Heimkehr Herrn Adolphe Monod über den Text „Wer Durst hat, komme zu mir und trinke“ predigen hörte. Der Prediger legte auf großartige Weise dar, wie sich das Verlangen nach Glück, Licht, Liebe, Reinheit, das zugleich Ruhm und Qual des Menschen ist, nur in Gott Erfüllung finden kann. Der junge Zuhörer von Herrn Monod, der damals gerade das Alter erreicht hatte, wo alle Dürste erwachen und wo die Seele, die keine wahrhaftigen und lebendigen Quellen findet, bereit ist, jede Täuschung hinzunehmen, er sagte mir, daß diese Rede einen solchen Eindruck auf ihn gemacht hatte, daß ihn seitdem keines der älteren Meisterwerke der christlichen Kanzel gleichermaßen befriedigt hatte, und daß er mehr als sechs Jahre danach immer noch imstande war, lange Stellen daraus zu zitieren, als ob er den Redner gerade gehört hätte, damit wir seine beständige Ergriffenheit besser verstehen und teilen können. Herr Adolphe Monod hat in vielen Herzen erfolgreich einen solchen Antrieb hinterlassen. Um ihm noch eines seiner Worte zu entleihen, kann er nun „Platz nehmen unter den Chrysostomen und den Whitefields, die hunderte von Seelen am jüngsten Tag als ihre spirituellen Väter grüßen werden, weil sie die schönen Gaben, die die Natur ihnen geschenkt hatte, in den Dienst von Jesus Christus gestellt haben“. Er ist im Alter von 54 Jahren verstorben, nach langer Krankheit und grausamen Schmerzen, die er nicht nur mit einer unwandelbaren Bereitschaft ertragen, sondern sogar beherrscht hat, indem er noch einige Getreue, die um sein Bett versammelt waren, unterrichten konnte. Die ganze Woche lang sammelte er seine Kräfte für diesen Dienst seiner letzten Sonntage, und wenn die Stunde gekommen war, erklärte, betete, ermutigte er, mit einer immerzu vollen Stimme, immer sanft, mit einem ebenso klaren Geist und einem ebenso gelassenen Glauben wie je zuvor, als bräuchte er nicht all seine Kraft für seine eigenen Kämpfe. So war er bis zum Schluß sich selber und seinem Werk treu, und auf den bewegten Gesichtern all derer, die letzten Dienstag versammelt waren, um sein Gedächtnis zu würdigen, ebenso wie in den Reden, die auf seinem Grab gehalten wurden, im Namen der Nationalkirche, im Namen der lutherischen Kirche, im Namen der Freikirchen, sah man ganz klar, daß jeder seinen Verlust als einen gemeinsamen Trauerfall für alle Protestanten sah, da ein großes Licht erloschen ist in ihrer Mitte, aber auch als einen persönlichen Trauerfall, den Tod eines Freundes.
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