Caroline Malvesin (1806-1889)
In seinem Buch über die Diakonissen von Reuilly schildert uns Gustave Lagny (1912-2002) den Lebenslauf von Caroline Malvesin:
„Marie-Françoise Caroline Malvesin wurde am 27. August 1806 in Marseille geboren. Ihr Vater stammte aus Saintonge und war ein Großhändler von Kolonialwaren. Sie war erst 13 Jahre alt, als ihre Mutter, eine aufrichtige und fromme Christin, verstarb. Caroline hatte zwei ältere Schwestern und drei Brüder. Gegen 1820 zog sich Herr Malvesin, der durch die ‚Kontinentalsperre’ sein Vermögen verloren hatte, mit seinen drei Töchtern nach Saintonge zurück. Die beiden älteren Töchter heirateten. Caroline erzählt in einem ihrer Briefe (aus dem Jahr 1841), daß sie im Alter von ungefähr 17 Jahren (also gegen 1823) davon träumte, eine Barmherzige Schwester zu werden: „Ich sprach mit allen jungen Mädchen davon, und alle sagten mir: Wir kommen mit dir.“ Aber nach dem Tod ihres Vaters (1) mußte sie sich im Jahr 1824 als Lehrerin in einer der dortigen Familien verdingen.
Sie verließ diese Familie nach sieben Jahren, gegen 1832, um ihrer zweiten Schwester, Frau Gérard, zu helfen, die in Bordeaux ein Mädchenpensionat leitete. Sie blieb dort bis zum Jahr 1841. Um ihr karges Einkommen aufzubessern, gab sie dazu noch Unterricht außerhalb des Pensionats ...
Zu dieser Zeit lernte sie Pastor Vermeil kennen, der sie in ihren Veranlagungen bestärkte. In der Folge entwickelte sich eine Freundschaft zwischen ihr und dem Ehepaar Vermeil. Dessen ungeachtet scheint sich in ihrem Glaubensleben nichts Wesentliches vor dem Jahr 1839 ereignet zu haben.
Eine gelegentliche Predigt von Adolphe Monod in Bordeaux (er war damals Professor an der theologischen Fakultät von Montauban) löste eine neue Etappe in ihrem Leben aus. Bewegt bis auf den Grund ihrer Seele, schrieb sie dem Prediger (3), um ihm von ihren Schwierigkeiten zu erzählen und ihn um Rat zu bitten. Er antwortete ihr in einem Brief voller Bibelzitate. Sie las diesen Brief auf ihren Knien und schlug in ihrer Bibel die von ihm zitierten Stellen nach. Und eines Tages, so erzählt sie, geschah etwas Seltsames in ihrer Seele: der Friede Gottes, den sie so lange gesucht und so innig erbeten hatte, erfüllte sie, und mit ihm eine wunderbare Freude und Kraft. Von diesem Tag an verließ sie die Gewißheit der Vergebung und der Liebe Gottes nie mehr ...“ (3)
Nach ihrer Bekehrung evangelisierte Caroline ihre Schülerinnen, und das scheinbar mit großem Erfolg; Sarah Monod spricht von einer „regelrechten Erweckung ... unter ihren Schülerinnen“ (4).
Am 6. Februar 1841 schrieb Caroline an Antoine Vermeil, der mittlerweile eine Pastorenstelle in Paris angenommen hatte, und drückte ihre Traurigkeit darüber aus, daß sie „keine offene Tür [sah], um in den Dienst des Herrn zu treten“. Am selben Tag schrieb ihr ihr früherer Pastor, um ihr von seinem Diakonissen-Projekt zu erzählen. Damit war das Gründerpaar für die Diakonissen von Reuilly gebildet.
Im Jahr 1841, bis zur Eröffnung der Einrichtung, schrieben sich Vermeil und Malvensin sehr oft. Am 16. August 1841 war Fräulein Malvesin in Bordeaux. Sie schrieb an Vermeil:
„Gestern hat Herr A[dolphe] M[onod] über die Liebe zum Geld gepredigt (5). Wenn Sie ihm geschrieben hätten daß er die Herzen zur Großzügigkeit gegenüber den Werken des Herrn anhalten soll, hätte er nicht anders gesprochen. Und wenn Sie hinzugefügt hätten: da gibt es eine Person unter Ihren Zuhörern, die gestärkt werden muß, um in den Dienst des Herrn einzutreten, dann hätte er nicht mehr und nicht besser gesprochen, als er zu mir in der Schule gesprochen hat. Aus vielen Mündern bekomme ich unmittelbare und mittelbare Ermutigungen. Gott ist so gut! Welch’ unsagbare Freude, zu sehen, daß mich die Hand des liebevollen Vaters so klar führt. Mein Freund, wollen Sie Dank sagen mit mir? Ach, ich hätte nie geglaubt, daß ich in dieser Welt so viel Freude erfahren würde!“ (6)
So kam Caroline schließlich nach Paris. Zuerst verbrachte sie ein paar Monate mit Herrn und Frau Vermeil, dann bewohnte sie ein kleines Häuschen nahe der Barriere Charenton (7).
Wir haben keine anderen Spuren von direkten Kontakten zwischen Adolphe Monod und Caroline Malvesin. Angesichts des großen Einflusses, den Monods Predigt auf das Seelenleben von Caroline ausgeübt hat, ist es aber wohl erlaubt, zu denken, daß sie die Gelegenheit nutzte, Monod predigen zu hören, nachdem er im Jahr 1847 Pastor im Pariser Temple de l’Oratoire geworden war.
In dieser Zeit stand das Diakonissenwerk massiv unter Beschuß sowohl der Liberalen (hinter Athanase Coquerel (1820-1875)) als auch von Vertretern des evangelischen Lagers (vor allem Valérie de Gasparin (1813-1894) der Nationalkirche. Adolphe Monod scheint den Diakonissen keine direkte Unterstützung zukommen haben zu lassen, aber er ermutigte ihre Führer. Das ist jedenfalls die Auffassung von Gustav Lagny:
„Viele unserer Glaubensgenossen sahen, das allzu Spitzfindige und Ungerechte der Angriffe von Frau de Gasparin und Athanase Coquerel. Auch wenn sie nicht direkt die Sache der Diakonissengemeinschaft unterstützten, erwiesen sie doch unserer Gemeinschaft oder ihren Führern Beweise der Freundschaft, die desto inniger waren, je größer ihr Schmerz war, sie so mißverstanden zu wissen. Wir nennen nur ein paar der bedeutenden Namen unter diesen Unterstützern: Adolphe Monod, Henri Grandpierre, Jules Pédézert ...“ (8)
In den Augen von Gustave Lagny, des Geschichtsschreibers der Diakonissen, „bewies sich [Monod] als treue, feste und wertvolle Stütze für die junge Gemeinschaft und ihre Gründer“ (9).
Adolphe Monod starb 1856; Caroline Malvesin hat ihn um 33 Jahre überlebt. Sie wollte sich 1862 aus dem Amt zurückziehen, aber ihre designierte Nachfolgerin, Frau Dunant-Widmer, starb plötzlich im Jahr 1863 (10). Im Jahr 1867 bat Caroline nochmals darum, aus ihrer Verantwortung als Direktorin befreit zu werden, aber sie wurde schließlich erst im Oktober 1869 von Schwester P.-A. Waller abgelöst.
Lassen wir Gustave Lagny das Schlußwort:
„Schwester Malvesin verließ kurz darauf Fontainebleau und zog ins benachbarte Dorf Changis. Obwohl sie als Direktorin zurückgetreten war, blieb sie eine Diakonisse! Sie gründete in Changis eine Vorschule und eine Elementarschule (11). Gleichzeitig nahm sie einen Neffen und eine Nichte, die ihre Eltern verloren hatten, bei sich auf. Die Entwicklung der Schule führte schließlich dazu, daß zwei Diakonissen dazu abgestellt wurden. Im Jahr 1887, im Alter von 81 Jahren, kam sie nach Reuilly zurück, um sich dort auszuruhen und ihren letzten Tag auf dieser Erde zu erwarten – den 26. August 1889.“ (12)
Zum Abschluß kann man noch anmerken, daß Sarah Monod (1836-1912), die Tochter von Adolphe Monod, den Diakonissen und ihrer Superiorin sehr nahe stand; ihr verdanken wir das Büchlein „La sœur Malvesin, diaconesse, 1806-1889“, das 1893 veröffentlicht wurde.
Quellen
- Sarah Monod, Adolphe Monod, I. Souvenirs de sa vie. Extraits de sa correspondance, Paris, Librairie Fischbacher, 1885, 479 p. Eine teilweise deutsche Übersetzung liegt vor : Max Reichard, Adolph Monod. Lebens-Erinnerungen und Briefe, Calw und Stuttgart, Verlag der Vereinsbuchhandlung, 1887, 354 p.
- Sarah Monod, La sœur Malvesin, diaconesse, 1806-1889, Paris, Librairie Fischbacher, 1893, 36 p.
- Gustave Lagny, Le réveil de 1830 à Paris et les origines des diaconesses de Reuilly, Paris, Association des diaconesses, 1958, 195 p. (neu herausgegeben im Jahr 2007 von den Editions Olivetan)
- Caroline Malvesin und Antoine Vermeil, Correspondance 1841, Lyon, Editions Olivetan, 2007, 230 p.
Fußnoten
(1) Es war Caroline, die sich bis zu seinem Tod um ihn kümmerte: Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 6.
(2) … einen anonymen Brief: Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 8
(3) Gustave Lagny, Le Réveil …, p. 49s
(4) Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 9-10
(5) Diese Predigt aus dem Jahr 1841 ist erhalten geblieben ; sie trägt den Titel „Der Freund des Geldes“.
(6) Caroline Malvesin et Antoine Vermeil, Correspondance 1841, p. 195
(7) Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 12
(8) Gustave Lagny, Le Réveil …, p. 129
(9) Gustave Lagny, Le Réveil …, p. 22
(10) Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 28-29
(11) Laut Sarah Monod, Sœur Malvesin, p. 34, wurde die Vorschule 1873 und die Elementarschule 1876 gegründet.
(12) Gustave Lagny, Le Réveil …, p. 161
Auch veröffentlicht auf meiner Adolphe Monod-Website (hier).
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